Der Krieg in der Ukraine ist derzeit in Deutschland in den Medien sehr präsent. Neben dem Leid der Menschen und dem Wahnsinn der Tatsache selbst, neben der unfassbaren Zerrung von Wohnraum und Infrastruktur für die Menschen entsteht auch ein riesiger Umweltschaden. Doch wie groß ist eigentlich der Schaden für die Umwelt, den ein Krieg auslöst? Oder ganz speziell der Ukraine-Krieg? Gibt es da verlässliche Zahlen?
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hinterlässt nicht nur tragische Spuren in der lokalen Bevölkerung, sondern verursacht auch erhebliche Umweltschäden in den natürlichen Lebensräumen des Landes.
Die Ukraine, bekannt für ihre
sieben Naturwunder und Teil des europäischen
Smaragd-Netzwerks, das grenzübergreifende Umweltschutzgebiete fördert, leidet unter den weitreichenden Umweltauswirkungen des Krieges.
Ich möchte dabei nicht das Leid und Elend der Menschen unbeachtet lassen. Viele persönliche Schicksale tragen tiefe Wunden, die nie verheilen werden. Der Verlust von Familienmitgliedern, Freunden und des Zuhauses – eine menschliche Tragödie ohne Ende.
In diesem Text sollen jedoch mehr die Umweltauswirkungen beleuchtet werden. Welche Auswirkungen hat ein Krieg auf die Flora und Fauna des Landes, das Grundwasser und den Lebensraum im Allgemeinen?
Die OECD warnt vor massiven Schäden mit langfristigen Konsequenzen für Gesundheit und Ökosysteme. Naturschutzgebiete werden zerstört, und Kriegsreste wie Munition und Landminen verseuchen Böden und Grundwasser über Jahre hinweg, was Trinkwasserquellen unbrauchbar macht. Greenpeace hat eine
digitale Karte für das Jahr 2022 veröffentlicht, die Fotos und Satellitenbilder zeigt und die Umweltauswirkungen des Konflikts dokumentiert.
Ein Beispiel: Die Explosion am Kachowka-Staudamm. Die Zerstörung hat schwerwiegende Umweltauswirkungen, wie die ukrainische Umweltorganisation
Razom We Stand betont. Rund 150 Tonnen Motorenöl sind laut Regierungsangaben bereits in den Fluss Dnipro gelangt. In Friedenszeiten würden sofort Maßnahmen ergriffen, um die Kontamination zu beseitigen – jetzt ist das aufgrund des Krieges nicht möglich.
Der Krieg führt zu einem erhöhten Ausstoß von Treibhausgasen durch Kampfhandlungen und den Einsatz von Militärfahrzeugen. Kriegsfahrzeuge, insbesondere Panzer, verbrauchen große Mengen Treibstoff und setzen erhebliche Mengen CO2 frei. Ein russischer T-72 Panzer benötigt zum Beispiel 250 Liter pro 100 Kilometer auf befestigten Straßen und im Gelände deutlich mehr. Das ist so viel wie 42 durchschnittliche Diesel-PKW für diese Strecke brauchen.
Die genauen CO2-Emissionen aus Kriegen sind nicht umfassend erforscht, aber ein paar Vergleichszahlen gibt es doch: Der Irak-Krieg verursachte in den ersten vier Jahren 141 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Dafür könnte unser Diesel-PKW bei einem Verbrauch von 6l pro 100km eine unfassbare Stecke von 8.703.703.703 km zurücklegen. Das sind 217.185 Umrundungen der Erde. Eine unfassbare Zahl!
Der immense Bedarf an fossilen Brennstoffen für die Kriegsmaschinerie bleibt zudem ungenau quantifiziert, da viele Länder ihre Militäremissionen nicht ausreichend melden. Der Fokus der Kriegsparteien liegt derzeit auch nicht auf Umweltbelangen, und ganze Ökosysteme werden durch Angriffe auf Wälder sowie die Zerstörung von Wohnblöcken und Städten gefährdet.
Angriffe auf Raffinerien können zu Bodenverschmutzungen durch auslaufendes Öl führen, wie es im Syrienkrieg geschah. Im Irakkrieg von 1991 wurden Ölquellen in Kuwait in Brand gesteckt, was zu Boden- und Wasserverschmutzungen führte.
Alles in allem ein unvorstellbares Desaster!
Studien zeigen, dass die meisten großen bewaffneten Konflikte zwischen 1950 und 2000 in Biodiversitäts-Hotspots stattfanden, was auf die drängende Notwendigkeit einer umfassenden Untersuchung der Umweltauswirkungen von Kriegen hinweist.
Wahrscheinlich wird man erst in einigen Jahren ermessen können, wie groß der Schaden wirklich war.
Januar 2024
Theo Prinz
Nachtrag:
Gerade heute (04.01.2014) veröffentlicht die Tagesschau einen Bericht zu den Umweltschäden, die durch den Ukraine-Krieg erfolgt sind:
"Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine soll laut einer Studie bisher einen Klimaschaden verursacht haben, der mit dem Ausstoß von 150 Millionen Tonnen CO2 vergleichbar ist." Quelle: https://www.tagesschau.de/wissen/klima/ukraine-krieg-klima-umwelt-100.htmlDie Tagesschau bezieht sich dabei auf eine Studie, wonach der CO2-Ausstoß des Krieges größer ist, als z.B. der jährliche Ausstoß von Belgien:
Studie CLIMATE DAMAGE CAUSED BY RUSSIA’S WAR IN UKRAINE"
Den größten "Schadensposten" stellen nach Berechnungen der Autorinnen und Autoren der Studie jedoch die absehbaren Wiederaufbau-Emissionen dar. Um zerstörte Häuser, Energie- und Industrieanlagen sowie Straßen- und Schienenwege wieder instand zu setzen, werden Zement und Stahl benötigt. Diese Baustoffe sind besonders energieintensiv, ihre Herstellung verursacht nach den Berechnungen der Initiative fast 55 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent." zitiert die Tagesschau diese Studie.
Aber der Krieg ist ja noch nicht zu Ende und keiner weiß, wie lange er noch andauern wird. Im Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur sehen die Autoren der Studie aber auch eine große Chance: Wenn der Wiederaufbau mit der Reduktion von energieintensiven Materialien einhergeht und die Verwendung klimafreundlicher Baustoffe im Vordergrund steht, ließe sich ein CO2-Einsparvolumen von bis zu 30 Prozent generieren.